Podiumsdiskussion anlässlich
des zehnjährigen Bestehens des Hospizvereins Langenhagen
Zum 10 jährigen Bestehen des Hospizvereins Langenhagen fand am 29.11.02 im Ratssaal des Rathauses in Langenhagen eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift "Begleitung im Sterben oder Hilfe zum Tod?" statt. Rechtsanwalt Jörg Lemmer nahm an dieser Veranstaltung neben Vertretern der Hospizbewegung, der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben, des ärztlichen Berufsstands und der Krankenkassen auf dem Podium teil. Die aktuelle rechtliche Situation zur Sterbehilfe wurde in folgendem Eröffnungsstatement zu Beginn der Veranstaltung kurz dargestellt.
Das Thema des heutigen
Abends: „Begleitung im Sterben oder Hilfe zum Tod?“ stellt den Juristen im
ersten Teil der Frage vor keine spezifischen Probleme, soweit es um die
Betreuung und Pflege von Schwerstkranken und Sterbenden bis zu ihrem Tod geht.
Allerdings ist der Grat zwischen der Begleitung im Sterben und der Hilfe zum Tod
schmal, und spätestens wenn ein Mensch trotz aller guten Begleitung nicht mehr
bereit ist, sein Leiden unter Umständen noch jahrelang ohne Aussicht auf
Besserung zu ertragen oder wenn Angehörige oder der Betreuer eines dauerkomatösen
Patienten einen Abbruch weiterer lebenserhaltender Behandlungen wünschen,
kommen wir in den hochsensiblen Bereich der Sterbehilfe.
In der Literatur haben sich
hierzu drei Begrifflichkeiten durchgesetzt, die unterschiedliche Formen der
Sterbehilfe beschreiben, die unterschiedlich juristisch bewertet werden. Die so
genannte passive Sterbehilfe beschreibt das Unterlassen der Aufnahme oder
Intensivierung lebensverlängernder Maßnahmen bei Patienten, die sich im
unmittelbaren Sterbeprozess oder einem Zustand befinden, der eine Besserung zurück
zu einem aktiv geführten Leben ausschließt. Anerkanntermaßen ist die passive
Sterbehilfe straffrei, jedoch bedeutet dies nicht, dass es nicht unter Umständen
zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder sogar zu einem
Strafverfahren kommt, und der Helfer somit durchaus konkret von Strafe bedroht
ist, ganz abgesehen von den Begleiterscheinungen eines solchen Verfahrens, wie
öffentliche Brandmarkung in den Medien, etc.
Als aktive Sterbehilfe
werden alle Maßnahmen bezeichnet, die direkt auf die Tötung eines Menschen
gerichtet sind, bei denen der Tod also ursächlich aufgrund einer aktiven
Handlung des Helfers eintritt. Die aktive Sterbehilfe ist strafbar und wird üblicherweise
nach § 216 StGB in Form der Tötung auf Verlangen auch dann verfolgt, wenn der
Getötete ausdrücklich seinen Tod und die Tötung verlangt hat.
Zwischen diesen beiden
Begriffen hat sich mittlerweile der Begriff der „indirekten Sterbehilfe“
etabliert, bei der man ebenfalls von einer Straflosigkeit ausgeht. Hier geht es
um die Fälle, in denen im Rahmen insbesondere einer palliativen Therapie eine
Schmerzlinderung gegen Ende des Lebens nur noch ausreichend möglich ist, wenn
man dabei in Kauf nimmt, dass z.B. durch die Gabe hoher Dosen von Schmerz- und
Beruhigungsmitteln als Nebenfolge eine Lebensverkürzung eintritt.
Recht streitig sind Fälle,
bei denen es um den Abbruch bereits aufgenommener Lebenserhaltender Maßnahmen
geht, wenn also z.B. eine künstliche Ernährung abgebrochen werden soll, da
hier keine eindeutige Zuordnung zwischen aktivem Handeln in Form z.B. des
Entfernens einer Sonde und passivem Geschehenlassen in Form einer unterlassenen
weiteren Versorgung mit Nahrung möglich ist.
Ein weiteres schwieriges
juristisches Problem stellt sich dort, wo der Betroffene nicht mehr selbst in
der Lage ist, eine Entscheidung über eine weitere Therapie oder einen
Behandlungsabbruch zu treffen, sondern ein Betreuer bestellt werden muss, der
dann die medizinische Sorge übernimmt, und ggf. dazu kommt, eine Behandlung
abbrechen lassen zu wollen. Während das Gesetz in § 1904 BGB klar regelt, dass
ein Betreuer vor einer lebensgefährdenden medizinischen Behandlung das
Vormundschaftsgericht einschalten muss, und durch die dann von dort zu
erteilende Genehmigung aus der strafrechtlichen Verantwortung für die Folgen
einer so genehmigten Behandlung entlassen ist, herrscht Streit über die Frage,
ob die Gerichte auch berufen sind, über die Frage eines zum Tode führenden
Behandlungsabbruchs zu entscheiden und dem Betreuer hierdurch Rechtssicherheit
zu geben. Einige Gerichte gehen von einem Erst-Recht-Schluss aus, und haben hier
Verantwortung in Einzelfällen bereits übernommen, andere Gerichte haben eine
Entscheidung mit dem Hinweis darauf, dass sie sich nicht zum Herrscher über
Leben und Tod berufen sehen, abgelehnt.
Und dies verdeutlicht für
mich, worum es in der ganzen Diskussion rund um die Sterbehilfe eigentlich geht:
Es ist die Feigheit der Beteiligten, Verantwortung zu übernehmen, und nach Möglichkeit
der kritischen Auseinandersetzung mit und abschließenden Lösung der
anstehenden Probleme aus dem Wege zu gehen, so verständlich dies angesichts der
Schwere der zu übernehmenden Verantwortung auch ist.
Und dies führt mich zu
einem dritten, weniger juristischen, als menschlichen Punkt, der aber die mit
der Entscheidung befassten Juristen und Mediziner ganz direkt betrifft und in
ihren Überlegungen und ihrer Entscheidungsfindung ganz oft beeinflusst, und der
deshalb auch von juristischer Relevanz ist. Es geht hierbei um die Frage der
Abfassung von Patiententestamenten und Behandlungsverfügungen,
Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen. Hier wird gerne über die
vorgeschobene juristische Frage gestritten, ob hierzu formularmäßige Dokumente
reichen, oder ob es erforderlich sei, hier umfassend ausformulierte Schriften zu
verfassen.
Die streng
formaljuristische Aussage ist einfach: Das Formular reicht vollkommen, aber wenn
ich angekündigt habe, hier zu einem menschlichen Aspekt der juristischen
Entscheidungsfindung Stellung zu nehmen, dann kann ich von der Verwendung der
Formulare nur abraten. Denn wenn man sich in die Rolle eines z.B. zur
Entscheidung berufenen Richters beim Vormundschaftsgericht versetzt, der seinen
Job ernst nimmt, dann stelle man sich bitte einmal vor, wie schwer oder leicht
eine Entscheidung über Leben und Tod fallen mag, wenn einerseits nur ein
Formular mit drei Kreuzen vorliegt, oder andernfalls ein längeres
selbstverfasstes Dokument, aus dem sich ein klarer Einblick in das Leben und den
Weg hin zu einem bestimmten Wunsch ergibt. Natürlich kann man auch die
Durchsetzung des nur in einem Formular mitgeteilten Willens gerichtlich
durchsetzen, nur frage ich mich, wozu dies gut sein soll, denn vermutlich werden
alle Beteiligten auf das Prinzip Hoffnung setzen und angesichts der dünnen
Ausgangslage den Fall so lange liegen lassen, bis sich der Antrag durch
Zeitablauf, sprich durch einen natürlichen Tod des Betroffenen erledigt. Wie
verhältnismäßig gesehen einfach macht man es da dem Richter, der sich ein
umfassendes Bild machen kann, und der somit recht schnell zu einer Überzeugung
kommen kann, die er dann auch guten und ruhigen Gewissens schnell ausfertigen
kann.
Ich wünsche mir für den
heutigen Abend eine rege Diskussion und bedanke mich einstweilen für die
Aufmerksamkeit.